Hegel für Eilige (alle)

Felix, Donnerstag, 04.01.2024, 13:00 (vor 106 Tagen) @ Felix

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"Und so beschloss der Philosoph, seinem Leben als Junggeselle ein Ende zu bereiten, was Hegel wie ein typischer Gelehrter ins Werk setzte. Kurzerhand wandte er sich an Niethammer (der inzwischen zum Hauptverantwortlichen der bayerischen Unterrichts- und Erziehungsanstalten avanciert war) und erklärte ihm in einem Brief, dass es an der Zeit sei, eine Frau zu nehmen oder vielmehr zu finden. Hegel, der philosophische Vermittlungsdenker, suchte für die banalen Probleme des Alltags einen praktischen Vermittler, weil er meinte, ohne Beistand keine Frau finden zu können, eine in philosophischen Kreisen nicht eben selten zu beobachtende Haltung.

Und weiter heißt es: "Wäre nur die beste Frau hier, ich würde nicht ruhen, sie zu bitten, dass sie sich dazu verstünde, mir eine zu verschaffen, denn zu jemand anderem hätte ich dies Zutrauen nicht, am wenigsten zu mir selber. Ich bin nächstens 40 Jahre alt und ein Schwabe; ich weiß daher nicht eigentlich, ob ich nicht geschwind vorher noch diesen Schritt zu tun habe, weil er nachher nicht mehr erlaubt wäre."

Der von Hegel nicht geschätzte Zufall wollte es, dass er weder die Vermittlung Niethammers noch dessen Frau brauchte. Er fand den Weg in den Hafen der Ehe ganz allein. Es war Maria von Tucher, die älteste Tochter eines ehemaligen Senators der alten Reichsstadt Nürnberg, die in sein Leben trat. Mitte April 1811 verlobte er sich mit der über zwanzig Jahre Jüngeren. Kurz vor Toresschluss hatte es Hegel anscheinend erwischt. Überwältigt von seinen Gefühlen, schrieb er im Stile eines verliebten Oberprimaners: An Marie, Du mein! Solch Herz darf mein ich nennen! In Deinem Blick der Liebe Wiederblick erkennen. O Wonne, o höchstes Glück!

Am 15. September 1811 fand die Hochzeit statt und bald schon wurden dem Paar die Söhne Karl und Immanuel geboren. Hegel war überglücklich. "Ich habe damit im ganzen mein irdisches Ziel erreicht, denn mit einem Amte und einem lieben Weibe ist man fertig in dieser Welt." Ihre Ehe, die bis zu Hegels Tod in ungetrübtem Glück und gegenseitiger Liebe dauerte, führten die beiden so, wie es Hegel später in der Rechtsphilosophie beschrieb: Der Mann hat im Staate der Wissenschaft und sonst im Kampfe und der Arbeit mit der Außenwelt, sein wirkliches substantielles Leben und das Weib, das passive und subjektive, hat in der Pietät ihre sittliche Gesinnung.

Hegel war am Ziel seiner Wünsche angelangt, zumal er auch als Pädagoge außerordentlich erfolgreich war und von seinen Schülern geschätzt und anerkannt wurde, obwohl er ihnen in philosophischer Hinsicht weit mehr zumutete, als es heute auf Gymnasien Usus ist. In seinem Gutachten über den Philosophieunterricht von 1812 heißt es in Übereinstimmung mit seinen philosophischen Überzeugungen:

"Was den Vortrag der Philosophie auf Gymnasien betrifft, so ist erstens die abstrakte Form zunächst die Hauptsache. Der Jugend muss zuerst das Sehen und Hören vergehen, sie muss vom konkreten Vorstellen abgezogen, in die innere Nacht der Seele zurückgezogen werden, auf diesem Boden sehen, Bestimmungen festhalten und unterscheiden lernen. Ferner, abstrakt lernt man denken durch abstraktes Denken." (Udo Tietz) ab Seite 73


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